Im Rheinland spricht man vom Karneval, in Süddeutschland und Österreich nennt man die närrische Zeit Fasching. In dem
Wort Fastnacht kann man schon heraushören, daß es etwas mit der Fastenzeit zu tun hat. Daher hat der Fasching auch eine religiöse Bedeutung.
“Fastnacht” kann man verstehen als “Vorabend der Fastenzeit”. Aber eigentlich kommt der Begriff von “fasen”, das ist ein
altes Wort für “närrisch sein”. Erst viel später sprach man von Karneval: carne vale ist Lateinisch und heißt: Fleisch, lebe wohl. (Andere Deutungsmöglichkeit: carrus navalis bedeutet Narrenschiff.) Die “katholische
Narrenfreiheit” kommt nicht von ungefähr. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Der Fasching hat als “Fest der verkehrten Welt” eine unverrückbare Stellung im christlichen Kalender. Unlösbar ist er mit dem Aschermittwoch und der
folgenden Fastenzeit verbunden. Ohne diesen Hintergrund wäre der Fasching gar nicht denkbar. Das närrische Treiben und zahlreiche damit verbundene Faschingsbräuche können sich nachweislich auf das Zweistaatenmodell des hl.
Augustinus berufen: auf der einen Seite das “Reich Gottes” (civitas die) und auf der anderen Seite das “Reich Satans” (civitas diaboli). In einer kurzen Zeit, eben im Faschin, kann das vergängliche “Reich Satans” sich in aller
Flüchtigkeit, Farbigkeit, mit drastischer Übertreibung und Narrenprunk entfalten. So sah es jedenfalls das Mittelalter. Es ging im Fasching dementsprechend deftiger zu als heutige Animateure und Faschingsdesigner sich das
auszudenken wagen. Heftig wurde immer wieder darüber gestritten, ob der Fasching tatsächlich eine “höchst christliche und wahrhaft katholische Institution” sei, wie es wohlwollend im vorigen Jahrhundert der Mainzer Bischof
Paul Leopold Haffner sah. Es gab sogar päpstliche Empfehlungen, so die von Martin IV. im Jahre 1284, die Gläubigen sollten “etliche Tage Fastnacht halten und fröhlich sein”. Geiler von Kayserberg, Franziskanerprediger am
Straßburger Münster, meinte: “Die Christliche Catholische Kirche erlaubet eine ehrliche recreation und Wollustbarkeit, damit ihre geistliche Kinder desto williger seyn, die heilige Fasten zu halten.” Am Collegium Germanicum,
dem ältesten Priesterseminar der Welt in Rom, wurde jährlich ein “Narrenkönig” gewählt. Er führte während des Karnevals das Regiment. Protestantische Reformatoren verstanden dagegen beim Fasching keinen Spaß und brachen abrupt
mit der katholischen Faschingstradition.
Das sprichwörtliche mittelalterliche “Narrenschiff” ist vollbesetzt mit Personen, die nur dem eigenen Vergnügen frönen.
Auf Holzschnitten und Bildern sind Frauen und Männer geistlichen Standes reichlich auf den “Narrenschiffen” vertreten. Sie reisen unter geblähten Segeln “gen Narragonien”. Einen anderen Kurs hält dagegen das “Schiff des Heiles”
mit dem “Mastbaum des Kreuzes”. Es steuert den “Hafenplatz des ewigen Lebens” an. So machte sich das Mittelalter die religiöse Dimension des Faschings als reinigenden Bußakt deutlich: Durch Darstellung und Spiel der verkehrten
Welt sollte die rechte Ordnung um so deutlicher erscheinen. Am Aschermittwoch war die Narretei vorbei. Die Narrenkappe mit den “Eselsohren geistlicher Trägheit” und den “Schellen der Lieblosigkeit” wurde abgelegt.
Empfehlungen für den Fasching kamen auch von Bischöfen. So wollte der Mainzer Bischof Haffner “fast eine Ketzerei darin sehen”, würde der Fasching abgeschafft. 1993 empfahl der Münchner Erzbischof, Friedrich Kardinal Wetter,
den Fasching als “heitere Revolte gegen niederdrückenden, auslaugenden Streß”. Er verschaffe “gesunden Realismus, damit wir uns nicht wichtiger nehmen, als wir tatsächlich sind”. Einer seiner Vorgänger, Kardinal Michael
Faulhaber, mußte den Fasching 1934 sogar gegen völkischische Umdeutungen in Schutz nehmen. Die Propaganda der Nazis sollte den Fasching umfunktionieren und aus seiner religiösen Sinngebung lösen. Stattdessen sollte es unter
Berufung auf die “germanische Vorzeit” eine “Deutsche Fastnacht” geben, die kein “Abkömmling jüdisch-christlicher Kultur” sei. “Die innere Beziehung zum kirchlich-christlichen Fastabend” müsse “negiert und verwischt” werden,
hieß es in einer nationalsozialistischen Weisung vom November 1933. Abgelöst von dieser ideologischen Bedingtheit werden solche Auffassungen auch heute mit durchaus tierischem Ernst vertreten.
Der Ursprung der
Faschingszeit geht bis ins 13. Jahrhundert zurück. In Köln sprach man schon im Jahr 1234 vom närrischen Treiben. Straßenumzüge hat es in Westfalen erstmals Anfang des 17. Jahrhunderts gegeben. Vor Beginn der 40tägigen
österlichen Bußzeit haben die Christen die letzten Tage noch einmal richtig gut gegessen, getrunken, getanzt und gefeiert. Den Faschingssonntag nannte man damals “Herrenfastnacht”, der heutige Rosenmontag wurde
“Bauernfastnacht” genannt.
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